Sonntag, 8. Dezember 2013

Elizabeth von Arnim #04 - Adventslektüre #02


"Kindlein, liebet einander", 
sagte Stephen schlicht und ergreifend."



Bleistift & Aquarell (Pencil & Watercolor), ca.21x14 cm
Es ist Advent und das "Fest der Liebe" im Anmarsch, ein Grund, weiter aus dem köstlichen Buch "Liebe" zu zitieren.  - Elizabeth von Arnim schrieb dieses Buch von ihrem realen Leben ab. Sie war zu dieser Zeit etwa 55 J. und  hatte die Nase von ergrauten, störrischen und langweiligen, adligen Ehemännern voll und ließ sich auf Alexander Stuart Frere - ein dreißig (!) Jahre jüngerer Verehrer - ein. 
Aus der stürmischen Affäre entstand eine lebenslange Freundschaft und das Buch "Liebe". 
Allerdings ist "Christopher", der Verehrer der Witwe "Catherine" (alias Elizabeth von Arnim), "nur" zwanzig Jahre jünger..... 
Sie läßt in ihren Büchern auffallend oft Pfarrer auftreten und diese Kirchendiener haben es recht schwer mit ihr bzw. sie bekommen in schöner Regelmäßigkeit - mit ihrer unnachahmlichen, witzig-ironischen, spitzen Feder - ihr Fett ab.



In "Liebe" ist Catherine's Schwiegersohn Stephen Pfarrer und er ist mit ihrer Tochter Virginia (die wesentlich jünger ist, als er!) verheiratet. Stephen ist chronisch überarbeitet  - vor lauter Liebe predigen - und besucht seine Schwiegermutter in London (ihr junger, hitziger Verehrer Christopher ist gerade zur Türe hinaus) und Catherine genießt die pietätvolle Ruhe:

"(...) Ich predige morgen in St. Clement's", bemerkte er nach kurzem Schweigen.
"Über das selbe Thema?"
"Es gibt nur dies eine. Alle anderen sind in ihm enthalten."
"Ja - Liebe", sagte sie; und bei diesem Wort wurde ihre Stimme sehr weich. 
"Ja - Liebe", wiederholte er, immer noch nachdenklich auf das Feuer blickend, das Kinn in die Hand gestützt.
Das Thema bei diesen Fastensonntagen war Liebe. Nachdem er zeit seines Lebens nicht besonders gut über andere Themen gepredigt hatte, predigte er nun seit seiner Heirat über dieses eine bemerkenswert gut. Er wußte wovon er redete (...). Diese Ehe, über die Catherine gewisse Zweifel gehabt hatte, weil sie ihn für etwas zu hölzern - wie man sich doch irren kann - für ein so junges Mädchen hielt, erwies sich als ein voller Erfolg. Sie beteten einander an auf jene ruhige, schickliche Weise, in der ein Pfarrer und sein Eheweib einander anbeten, falls sie einander anbeten; daß heißt, in der Öffentlichkeit keineswegs zügellos, sondern zurückhaltend, in Ehrfurcht vor Gott. Und beide waren entschlossen, Virginias Geld (das Erbe von Virginias Vater!) nur für edle gute Zwecke zu verwenden. 
Virginia war wie ihr Vater - geschaffen für ruhiges, häusliches Glück. Außerdem war sie nie besonders hübsch gewesen, und auch das traf sich gut. Die Kirche hat, das wußte Stephen, keine Verwendung für Schönheit. Eine schöne Frau, die mit einem Pfarrer verheiratet ist, erzeugt leicht Komplikationen; denn wir sind nur schwache Geschöpfe, und unsere Schritte, selbst wenn wir ein Bischof sind, gehen manchmal Abwege. Aber sie war durchaus hübsch genug, mit entzückenden Augen, und sie war nicht nur jung, sondern auch reich. (...)      



Tusche & Aquarell (Ink & Watercolor), ca.21x14 cm



...sehr kurzweilig  war die Konversation zwischen Schwiegersohn und Schwiegermutter nicht...

"(...) Um neun Uhr sah Stephen auf seine Uhr. Er hatte sich schon darauf eingestellt, sie herauszuziehen, auszurufen, daß die Zeit wie im Flug vergangen sei, aufzustehen und zu gehen. 
Aber die Zeit war nicht wie im Flug vergangen. Alle beide hatten angenommen, es müsse schon zehn Uhr sein - mindestens zehn, wahrscheinlich später; so daß er, als er sah, daß es erst neun war, sowohl verwirrt als auch erstaunt war. 
Er wußte nicht recht, was er tun sollte. So früh zu gehen zeuge von mangelnder Achtung gegenüber seiner fabelhaften Schwiegermutter, fand er; seine Uhr ans Ohr zu halten, um sich zu vergewissern, daß sie nicht stehengeblieben war - sie mußte stehengeblieben sein -, war eine spontane Regung, der er aus Höflichkeit widerstand. Dennoch wollte er weg. Was immer seine Uhr auch anzeigen mochte, er fand es sei längst Zeit, zu Bett zu gehen.
"Möchtest du", schlug er vor und rückte etwas nervös auf seinem Stuhl hin und her, " daß ich für dich und dein Haus bete, bevor ich gehe?"   
"Sehr gern", sagte Catherine höflich und wurde wieder wach; sie war die letzte, einen Pfarrer, der beten wollte, daran zu hindern, "Nur gibt es ja kein...."
Sie zögerte und bemühte sich ängstlich, keinerlei Bedauern zu erkennen zu geben. Sie hatte sagen wollen, daß es kein Haus gebe; statt dessen fragte sie, ob sie Mrs. Mitcham (ihre Haushälterin) rufen solle.
"Ja bitte", sagte Stephen.
Mrs. Mitcham kam.
Dann stellte sich heraus, daß kein Gebetbuch da war. Die Gebetbücher, sowohl ihres als auch Mrs. Mitchams -, wie überaus bedauerlich - waren in Chickover geblieben.    
Stephen stand nachdenklich auf dem Kaminvorleger. 
Mrs. Mitcham mit dem Ausdruck einer, die sich bereits in der Kirche befand, wartete mit züchtig gefalteten Händen auf irgendeine Salbung, die auf sie herabkommen sollte. 
Catherine überlegte, daß sie ihre Pelze nicht in Chickover gelassen hatte und auch ihre Schmucksachen nicht, und fragte sich, ob nicht vielleicht Stephen diese Überlegung anstellen und seine Schlüsse darausziehen würde.    
Aber Stephen tat es nicht. Er überlegte im stillen, was er, entblößt von der Hilfe eines Gebetbuches, zu diesen beiden Frauen als Gute-Nacht-Gebet sagen solle und so mit Anstand in sein gemietetes Zimmer und zu Bett gehen könne.
Der Gedanke an dieses Bett, ganz einsam und kalt, brachte ihn wieder auf Virginia und mit ihr auf seine große Entdeckung der Liebe. Er hob plötzlich die Hände über seine Schwiegermutter und ihre Bedienstete - instinktiv neigten beide ihre Köpfe - und bat sie schlicht und einfach, einander zu lieben.

"Kindlein, liebet einander", sagte Stephen schlicht und ergreifend.    

Es war das Beste, was er für sie tun konnte; es war das Beste, was man für jedermann auf der Welt tun konnte. Dann unvermittelt wünschte er Catherine eine gute Nacht (...).
 (...) Mrs. Mitcham half ihm voll Ehrfurcht in den Mantel. Sie hatte es gern, wenn man Gebete über sie sprach; es weckte ein eigentümliches, angenehmes Gefühl in ihrer Brust. Sie konnte es sich garnicht vorstellen, wie sie ihr Gebetbuch hatte vergessen können und nicht einmal gemerkt hatte, daß es weg war (...)" 

zitiert aus:  Elizabeth von Arnim "Liebe" ("Love"), 1925                  
                             
             



In diesem Sinne wünsche ich allen meinen Blog-Besuchern einen friedlichen Advent und eine liebevolle Weihnachtszeit... Kindlein, liebet einander...;-)




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